Der Trompeter Lee Morgan (1938-1972) wird für immer mit seinem ÜberraschungsPop Hit "The Sidewinder" assoziiert werden. Dabei hatte er als Wunderkind im Alter von 18 Jahren schon in der Dizzy Gillespie Big Band für großes Aufsehen gesorgt. Und das Blue Note Label nahm ihn sofort unter Vertrag. Bemerkenswerterweise spielte er seine erste Session mit Hank Mobley für Savoy einen Tag später bei Rudy van Gelder ein. Aus den manchmal sehr routiniert ablaufenden Plattenaufnahmen mit typischen Quintett Besetzungen in jener Hochzeit des Hard Bop ragen Morgans Alben von Anfang an heraus, was nicht nur an seiner phänomenalen Technik lag, die er immer im Dienste der Musik einsetzte, sondern auch an der Auswahl seiner Musiker und des Themenmaterials. Er fi ng erst nach und nach an, seine Musik selber zu schreiben und setzte zunächst auf Leute wie Benny Golson, der mit ihm lange zusammen bei Art Blakey and the Jazz Messengers spielte. In der Auswahl seiner Saxophonisten setzte Morgan ähnliche Akzente wie Miles Davis und kein Wunder, dass es dabei zu Überschneidungen kam. Hank Mobley, Benny Golson, John Coltrane -bei dem Morgan als Sideman auf dessen gefeierter "Blue Train"-Session mitwirkte-, und George Coleman und Wayne Shorter, letztere sollten erst später bei Miles Bands einsteigen, sind da herauszuheben. Ein ganz spezieller Gleichgesinnter war der leider immer unterschätzte Tenorist Cliff ord Jordan, mit dem Morgan drei großartige Alben für Vee Jay und Riverside einspielte und die hier besondere Beachtung verdienen. Da Morgan bis zu seinem Hit keine feste eigene Band unterhielt, gehörte er bis 1964 meistens zu den Jazz Messengers und bildete den wichtigsten ruhenden Pol der Band, egal ob so unterschiedliche Charaktere wie Benny Golson oder Wayne Shorter den Saxophonistenpart innehatten, wie die beiden Blakey Klassiker "Moanin'" und "Night in Tunisia" eindrucksvoll dokumentieren. Der amerikanische Autor David H. Rosenthal zieht in seiner Analyse des Morganschen Trompetenstils der 60er Jahre eine erhellende Parallele, indem er diese Spielweise als instrumentales Äquivalent zum Gesang der seinerzeitigen Soul-Größen, vor allem James Brown, interpretiert: "... he had honed his time and timbre to razor sharpness ...". Auf Fotos erkennt man noch heute klar Morgans Selbstinszenierung, die in der Tat mit den Worten James Browns am treff endsten ausgedrückt wird: Mr. Super Bad. Damit ging auch ein Interesse und aktive Teilnahme Morgans am Civil Rights Movement einher. Leider war Morgans Leben und Karriere von Drogenproblemen fl ankiert, die ihn immer wieder zu Auszeiten zwangen. 1972 schoss seine Frau während einer Auftrittspause im New Yorker Jazzclub Slug's Saloon auf Morgan und er verblutete, weil aufgrund eines Unwetters der Krankenwagen zu spät eintraf.